Alleinerziehend und Vater: Oft gilt Jörn Schraer als Exot. Dabei gibt es inzwischen viele Männer in ähnlicher Lebenssituation – nur eben nicht im Amshausen. Dem 43-Jährigen bedeutet seine kleine Tochter Joleen (7) alles. Für sie verzichtet der ALG II-Empfänger auf vieles. Sie soll ein Leben haben wie andere Kinder, deren Eltern es finanziell besser geht.

Auf einen Blick:

  • Vater und Tochter teilen eine Leidenschaft: Eisenbahnen
  • Joleen interessiert sich für Technik – ihr Vater fördert sie
  • Er fand lange keinen Kindergartenplatz und verlor seinen Job
  • Jörn Schraer verzichtet für seine Tochter auf vieles
  • Da es in der Schule gut läuft, wird er sich ab Januar wieder bewerben

Vater und Tochter fiebern für Eisenbahnen

Jörn Schraer lebt seit 2016 mit seiner kleinen Tochter in einer kargen KWG-Dreizimmerwohnung in der Finkenstraße. „Das war 2016 der einzige bezahlbare Wohnraum im Altkreis.“ Ungewöhnlich ist das Schlafzimmer des Amshausners: Er schläft in einem Hochbett. Darunter ist ein riesiges Areal mit Schienen und Modell-Eisenbahnen aufgebaut. „Das ist unser Spielzimmer“, sagt er stolz.

Joleen hat ein Händchen für Technik

Mit Joleen teilt er nämlich die Leidenschaft für Eisenbahnen. „Sie geht sehr geschickt damit um. Man braucht Fingerspitzengefühl, um einen Zug auf die Schienen zu setzen und ihn mit dem Trafo passend in Fahrt zu bringen.“ Und das könne sie, obwohl sie erst sieben Jahre alt sei. Er fügt hinzu: „Eigentlich wird dieses Spielzeug erst ab dem Alter von 14 empfohlen.“ Joleen nickt eifrig und streicht vorsichtig über einen Waggon. „Ich interessiere mich sehr für Technik. Und ich lese gern Bücher über Pferde.“

Der Vater fand lange Zeit keinen Kita-Platz für sein Kind

In seinem vorherigen Wohnort bekam Schraer erst nach einer Wartezeit von gut einem Jahr einen Kita-Platz. Weil er sich selbst um sie kümmern musste, war er seinen Job als Motorrad-Mechaniker los. „In der Branche gibt es keine Väter, die in Elternzeit gehen“, erläutert er.

Alleinerziehend – Armut bedeutet ein sparsames Leben auf kleinster Flamme

Um Joleen ein Leben ohne großen Mangel zu ermöglichen, verzichtet der Vater auf vieles. „Ich kaufe mir kaum neue Kleidung.“ Dann weist er auf seine zerschlissenen Schuhe: „Die trage ich trotz Zehen-Fehlstellung, bis sie mir von den Füßen fallen.“ Zum Einkaufen gehen die beiden in den Aldi und zu Lidl. „Wir nehmen immer kleine Mengen, damit nichts schlecht wird“, verrät Schraer. Dann hält er ein winziges Glas Marmelade hoch: „Die habe ich selbst gekocht. Apfel-Marzipan ist sehr lecker. Die Früchte stammen von meinem Bruder aus Borgholzhausen.“

Ab Anfang nächsten Jahres geht es wieder auf Stellensuche

Joleen geht in die Grundschule Amshausen. Mit den Noten läuft es gut und sie hat dort viele Freunde. Deshalb sieht Jörn Schraer ab Januar 2019 eine neue Chance auf einen Arbeitsplatz. „Ich werde mich im Bereich der Lagerlogistik bewerben und hoffe auf eine Teilzeit-Stelle.“ Denn die kleine Tochter wird auch bei sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung immer seine Nummer Eins bleiben.

Alleinerziehend, arm und Vater in Amshausen